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Beitrag vom 12.02.2009
Effi Briest
Tatjana Zilg
Die Regisseurin Hermine Huntgeburth drehte eine Neufassung des Klassikers der deutschen Literatur mit Julia Jentsch in der Hauptrolle. Die Weltpremiere des Filmes, der zur Zeit der vorletzten ...
… Jahrhundertwende im Milieu der Oberschicht spielt, fand stilgerecht im temporär zum eleganten Kinosaal umgebauten Friedrichsstadtpalast im Rahmen der Reihe "Berlinale Special" statt.
Für ihren letzten Film "Die weiße Massai" (2005) begab sich Hermine Huntgeburth auf das Terrain eines anderen Kontinentes und verfolgte die Wandlung einer Schweizerin von einer erfolgreichen Geschäftsfrau in Europa zu einer Massai-Ehefrau in einem afrikanischen Dorf und vice versa.
Diesmal bleibt die Regisseurin in der eigenen Kultur und adaptiert einen Theodor Fontane-Roman, den viele KinogängerInnen bereits als Schullektüre kennenlernten. Wieder nutzt sie opulente Bilder: Malerisch gelegene Landschaften, ein Dorf in rauer, schlichter Schönheit, ein Berlin, das beginnt, sich zur einer lebhaften Metropole zu entwickeln, und Innen- und Außenaufnahmen großflächiger, der Epoche entsprechend eingerichteter Häuser. Hundertprozentig passend zu der Geschichte, die sie erzählt. Diese ist berühmt für ihre poetische Melodramatik und die großen Gefühle, die sie bei den LeserInnen erzeugt, und gilt darüber hinaus als gelungene Auseinandersetzung mit den strengen Moralvorstellungen vergangener Tage.
Hermine Huntgeburth bringt das Beziehungsgeflecht zwischen den Charakteren gut verständlich auf die Leinwand. Dafür nimmt sie sich zwei Stunden Zeit, die aber dank der mit der Erzählung stimmigen Bilder und einem dramaturgisch kurzweilig angelegten Handlungsverlauf schnell vergehen. Zudem wagte das Filmteam eine entscheidende Änderung an der Originalvorlage, die keine Zweifel mehr aufkommen lässt an der Parteilichkeit für die junge Effi Briest.
Deren Schicksal ist wohlbekannt: Kaum 20 Jahre alt wird sie von ihren Eltern zur materiell vorteilhaften Hochzeit mit dem 20 Jahre älteren Baron Instetten (Sebastian Koch) getrieben. Zwischen erstem Kennenlernen und der ersten gemeinsamen Nacht im Ehebett liegt nur kurze Zeit. Instetten zeigt sich als emotional distanziert, jedoch im Bezug auf seine Karriere äußerst ehrgeizig. Die Ehepartner finden keinen wirklichen Zugang zueinander und Instetten erwartet von Effi ein Verhalten, das der klassischen Frauenrolle dieser Zeit entspricht. Da er sie oft wegen seinen Geschäftsreisen alleine im Landgut in einem am Meer gelegenen Provinzort lässt, entwickelt sie Ängste, die sich durch leichte Halluzinationen und Erschöpfungszustände bemerkbar machen. Gleichzeitig spürt sie immer stärker den Drang nach einem anderen Leben. Emotionale Unterstützung findet sie bei dem Apotheker Gieshübler (Rüdiger Vogler). Um dem verschlafenen Ort Leben einzuhauchen, gründet Gieshübler eine Theaterlaiengruppe, der sich Effi nach kurzen Zögern anschließt. Dort kommt sie sich mit Major Crampas (Mišel Matièeviæ) näher, einem Freund von Instetten. In der romantischen Umgebung einer Hütte am Meer nimmt die erotische Affäre zwischen Effi und Crampas ihren Lauf. Als ihr Ehemann nach Berlin versetzt wird, bricht Effi, mittlerweile Mutter einer kleinen Tochter, die Beziehung ab. Jahre später entdeckt Instetten die Liebesbriefe und erschießt Crampas in einem Duell nach altem Ehrenkodex. Offensichtlich zu dieser Zeit noch nahezu legal, denn er wird lediglich zu einer zweiwöchigen Haftstrafe verurteilt.
Theodor Fontane schrieb seinen Roman inspiriert durch die wahre Geschichte von Elisabeth Freiin von Plotho, spätere Elisabeth von Ardenne, die der Beweggrund für das letzte Duell in der Realität war. Sie selbst wurde 99 Jahre alt und starb im Jahr 1952. Möglicherweise war sie selbstbewusster und entschlossener als die Effi Briest, die Fontane beschrieb.
Die Effi Briest von Hermine Huntgeburth wirkt wie eine Mischung aus der literarischen Vorlage und der historischen Persönlichkeit. Die dramatischen Konflikte, denen sie sich stellen muss, lassen sie zwar auch im Film körperlich erkranken, aber zugleich an ihnen reifen bis sie zu innerer und äußerer Freiheit findet.
Ein weiteres Plus an der Neuverfilmung ist, dass diese zeigt, was lange Zeit nicht gezeigt werden durfte: Die Sexualität, wie sie in einer solchen Ehe geschieht, an Vergewaltigung grenzend, und im Kontrast dazu die erotische Vertrautheit, die zwischen den Sich-Verboten-Liebenden entsteht.
AVIVA-Tipp: Zu Beginn erscheint die Person des Instetten nicht ganz glaubwürdig, denn Sebastian Koch in der Rolle des Instetten ist attraktiver und junggebliebener als so mancher seiner Vorgänger in den vorangegangen Effi Briest Verfilmungen. Doch Julia Jentsch überzeugt schnell davon, wie es um die Gefühle der jungen Frau steht, die Gefangene ihrer Zeit ist. Sie bei ihrer inneren Wandlung zu begleiten sorgt für einen unterhaltsamen Kinoabend, stimmt aber auch nachdenklich. Es lässt innerlich erschaudern, dass vor kaum 100 Jahren unter dem Deckmantel einer Ehe eine Vergewaltigung fast wie selbstverständlich hingenommen wurde und der Versuch einer Frau, sich aus einer solchen Ehe zu lösen, gesellschaftlich tabuisiert war.
Effi Briest
Deutschland 2008
Regie: Hermine Huntgeburth
Drehbuch: Volker Einrauch
Lauflänge: 118 Minuten
DarstellerInnen: Julia Jentsch, Sebastian Koch, Mišel Matièeviæ, Juliane Köhler, Thomas Thieme, Rüdiger Vogler, Barbara Auer, Margarita Broich, Mirko Lang, Sunnyi Melles
Verleih: Constantin Film
Kinostart: 12.02.2009
Parallel zum Filmstart wurde ein großer SchülerInnentalentwettbewerb, für alle Jugendlichen, die gerne tanzen, schauspielern und musizieren, ausgeschrieben.
Weitere Informationen hierfür und zum Film unter:
www.effi.film.de
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